Governance

Allgemeines

Unter Governance wird allgemein die «verantwortungsvolle Unternehmungsführung und -kontrolle» verstanden. Sie muss insbesondere durch das Management umgesetzt werden.

Projekt-Governance ist ein Teil der Unternehmens-Governance. Die Kennzeichen guter Projekt-Governance sind:

  1. funktionsfähige Projektsteuerung und -führung
  2. Berücksichtigung der Stakeholderinteressen
  3. Zusammenarbeit von Projektorganisation und Stammorganisation
  4. Abstimmung der Projektziele mit Strategien und Zielen der Stammorganisation
  5. Transparenz in der Projektkommunikation
  6. Nachvollziehbarkeit der Projektdurchführung
  7. angemessener Umgang mit Risiken
  8. effizienter und nachhaltiger Ressourceneinsatz

Die Kennzeichen guter Projekt-Governance stellen die Anforderungen an die Projektsteuerung und Projektdurchführung dar.

Unternehmensprozesse und HERMES

Unternehmen betreiben einerseits ihr operatives Geschäft und befinden sich andererseits in ständiger Veränderung, um aktuellen und zukünftigen Herausforderungen gewachsen zu sein. Wie die Abbildung 25 zeigt, verfügt eine Unternehmung über Prozesse und Methoden, die

  1. die Erstellung der Unternehmensplanung unterstützen,
  2. die Umsetzung der Unternehmensplanung begleiten und
  3. die Nutzung der Ergebnisse sicherstellen.
Abbildung 25: Unternehmensprozesse im Lichte von HERMES
Abbildung 25: Unternehmensprozesse im Lichte von HERMES

Erstellung der Unternehmensplanung

Grundzüge der Unternehmensplanung

Mit der Erstellung der Unternehmensplanung werden die Vorhaben priorisiert und die nötigen Ressourcen für die Umsetzung geplant, damit sie ausreichend zur Verfügung stehen.

Die Unternehmensplanung basiert auf einer Skizzierung der Bedürfnisse aus einem Geschäftsprozess, aus Ideen für zukünftige Informatiklösungen oder strategischen Vorhaben. Diese groben Skizzen werden häufig als ‹Studie› bezeichnet und verursachen im Normalfall keine externen Kosten.

Gehören die Partner derselben Organisation an (z. B. einer öffentlichen Verwaltung) stehen sie bereits während der Unternehmensplanung miteinander in Kontakt. Zwischen dem Account-Manager des Erstellers bzw. Betreibers und der Leitung des Anwenders werden je nach Art der Geschäftsbeziehungen frühzeitig Informationen ausgetauscht, damit die notwendigen Ressourcen bei allen betroffenen Partnern ausreichend verfügbar sind. Dabei werden die organisationsspezifischen Vorgaben berücksichtigt. Auf der Grundlage der Unternehmensplanung entscheidet die Stammorganisation, welche Projekte initialisiert werden. Ab dem Entscheid zur Projektinitialisierung wird das Projekt mit HERMES durchgeführt und ins Projektportfolio der Stammorganisation aufgenommen.

Umsetzung der Unternehmensplanung

In der Umsetzung der Unternehmensplanung werden bedeutende Veränderungen mit Projekten umgesetzt. Wenig bedeutende, nicht risikobehaftete Vorhaben mit geringer Komplexität werden oft mit Aufträgen umgesetzt. Die Definition, was ein Projekt ist, hängt stark von der jeweiligen Unternehmung ab und muss durch diese verbindlich geregelt werden. HERMES 5 unterstützt die Umsetzung der Unternehmensplanung mit Projekten.

HERMES 5 regelt die Zusammenarbeit der Partner im Projekt und unterstützt sie bei Initialisierung, Konzeption, Realisierung und Einführung des Ergebnisses und bei der Bereitstellung der nötigen Betriebsorganisation. HERMES 5 beschreibt die Rollen, Ergebnisse und Aufgaben der Partner Anwender, Ersteller und Betreiber und sorgt für die nötige Klarheit in der Zusammenarbeit. Während der Phase Initialisierung werden die Skizzen oder Studien der Unternehmensplanung vertieft. Dabei werden Varianten erarbeitet und bewertet. Für die gewählte Variante wird ein Projektauftrag erarbeitet damit die Stammorganisation am Ende der Phase Initialisierung entscheiden kann das Projekt frei zu geben.

Das Projekt steht mit der Stammorganisation des Anwenders in enger Beziehung. Die Leitung und die Controlling- und Vorgabestellen werden über Entscheidungsaufgaben und das Reporting in das Projekt eingebunden. Der Auftraggeber sorgt für die ständige Kommunikation zwischen Stamm- und Projektorganisation.

Nutzung der Ergebnisse

Die Nutzung des Ergebnisses aus einem Projekt beginnt mit der Betriebsaufnahme. Die Voraussetzungen für die nachhaltige Nutzung werden im Projekt geschaffen. Das Projekt wird abgeschlossen, wenn der Betrieb stabil erfolgt und die Ergebnisse abgenommen sind. Die Partner stellen sicher, dass die für die Nutzung nötigen Rollen besetzt sind. Dazu gehören oft die Rollen des Geschäftsprozessverantwortlichen, des Anwendungsverantwortlichen und des Betriebsverantwortlichen. Die Leitung des Anwenders und der Account-Manager des Erstellers bzw. Betreibers bleiben auch während der Periode der Nutzung in Verbindung. Die Erfolgskontrolle, ob die Projektziele erreicht wurden, geschieht während der Nutzung.

Integration in das Projektportfoliomanagement

Die Anforderung der Governance eines effizienten und nachhaltigen Ressourceneinsatzes bedingt, dass beurteilt wird, ob ein Projekt freigegeben werden soll. Eine Aufgabe der Stammorganisation ist es, die Gesamtheit der Projekte der Organisation übergeordnet zu steuern und zu kontrollieren. Dies erfolgt mit dem Projektportfoliomanagement. Es umfasst die übergeordnete Priorisierung und Koordination der Projekte, die Ressourcenzuweisung zu Projekten und die Entscheide darüber, welche Projekte durchgeführt werden, ob Projekte angehalten und beendet werden.

Wie die Abbildung 26 zeigt, ist Projektportfoliomanagement in der Stammorganisation oft

  1. im Kompetenzzentrum Projektmanagement oder
  2. bei Controlling- und Vorgabestellen

angesiedelt.

Abbildung 26: Öfters anzutreffende zwei Unterstellungsvarianten des Portfoliomanagements
Abbildung 26: Öfters anzutreffende zwei Unterstellungsvarianten des Portfoliomanagements

HERMES unterstützt die Integration der Projekte in das Projektportfoliomanagement unter anderem mit den Phasen und Meilensteinen. Diese unterstützen eine transparente Steuerung der Projekte. An den Meilensteinen sind Quality Gates definiert, wo die notwendigen Prüfungen mit der Checkliste unterstützt und nachweisbar dokumentiert werden.

Reporting

Die Forderung der Projekt-Governance nach einer transparenten Kommunikation bedingt ein Reporting. Das Reporting unterstützt ebenfalls die Anforderung der Projekt-Governance an die Nachvollziehbarkeit des Projektverlaufs.

Mit dem Reporting wird der Informationsfluss in der Projektorganisation und gegenüber der Stammorganisation formell geregelt. Das zeitnahe Reporting ist eine Voraussetzung dafür, dass die verantwortlichen Stellen in der Projekt- und der Stammorganisation ihre Aufgaben verantwortungsvoll ausführen können.

Die mit dem Reporting erzielte Transparenz ist nicht nur für die Stammorganisation und den Auftraggeber, sondern auch für den Projektleiter von Nutzen, da es die Qualität der Projektdurchführung dokumentiert.

Die Abbildung 27 stellt das Reporting innerhalb der Projektorganisation und gegenüber der Stammorganisation dar.

Abbildung 27: Reporting aus dem Projekt gegenüber der Stammorganisation
Abbildung 27: Reporting aus dem Projekt gegenüber der Stammorganisation

Die folgenden Ergebnisse fallen beim Reporting an:

  1. Projektstatusbericht
    Projektstatusberichte werden periodisch ab Projektbeginn bis Projektabschluss erstellt. In von der Stammorganisation definierten Zeitperioden informiert die Projektleitung mit dem Projektstatusbericht den Auftraggeber und die Stammorganisation über den Projektstand (Vergleich Plan/Ist) und den voraussichtlichen weiteren Verlauf (Prognose).
  2. Phasenbericht
    Am Ende der Phasen Konzept und Realisierung werden die Ergebnisse der Phase und die Planung des weiteren Projektverlaufs für den Auftraggeber so aufbereitet, dass er den Entscheid zum weiteren Vorgehen (in der Regel zur Phasenfreigabe) fällen kann.
  3. Projektschlussbeurteilung
    Am Ende der Phase Einführung wird die Projektschlussbeurteilung erarbeitet. Sie dient der kontinuierlichen Verbesserung in der Stammorganisation aufgrund der gemachten Erfahrungen.
Fachliche Ergebnisse der Projektausführung

Ergänzend zum Reporting werden definierte fachliche Ergebnisse den Controlling- und Vorgabestellen zur Prüfung zugestellt (Beispiel: Systemarchitektur).

Erfüllung der Anforderungen der Projekt-Governance

Prüfungsgegenstand

Bei der Beurteilung eines Projekts wird unter anderem geprüft, ob es die Anforderungen an die gute Projekt-Governance erfüllt.

Nachfolgend ist für jede Anforderungen beschrieben, wie die einzelnen HERMESMethodenelemente die Erfüllung unterstützen.

Funktionsfähige Projektsteuerung und führung
  1. Rollen
    Die Rollen sind ein zentrales Methodenelement, um die Anforderung an die funktionsfähige Projektsteuerung und Führung erfüllen zu können:
    1. Die Verantwortung für Aufgaben und Ergebnisse ist definierten Rollen und den Partnern im Projekt zugewiesen.
    2. Die Rollen sind den Hierarchieebenen Steuerung, Führung und Ausführung zugeordnet. Damit wird die Verantwortlichkeit der Rollen zusätzlich sichtbar gemacht.
    3. Die Rollen sind mit Rollenbeschreibungen konkretisiert. Dabei sind die Aufgaben, Kompetenzen und die Verantwortung sowie die benötigten Fähigkeiten zur Ausübung der Rolle beschrieben.
    4. Zur Unterstützung der Rolle des Auftraggebers ist eine Rolle Qualitäts- und Risikomanager definiert. Er nimmt unabhängige Beurteilungen der Projektdurchführung vor und gibt Empfehlungen ab.
    5. Zur Unterstützung der Rolle des Auftraggebers ist eine Rolle Projektausschuss definiert. Dadurch können die Stakeholder auf der Hierarchieebene Steuerung in die Projektorganisation integriert werden.
    6. Zur Unterstützung der Rolle des Projektleiters ist eine Rolle Fachausschuss definiert. Dadurch können die Stakeholder sowohl im Führungsbereich als auch auf der fachlichen Ebene in die Projektorganisation eingebunden werden.
    7. Im Kapitel Projektorganisation ist beschrieben, welche Aspekte bei der Rollenbesetzung berücksichtigt werden sollen, damit eine funktionsfähige Projektsteuerung und führung sichergestellt ist.
  2. Module und Aufgaben
    Die Aufgaben der Steuerung und der Führung sind umfassend beschrieben. Sie sind in den Modulen Projektsteuerung und Projektführung gruppiert und damit für Auftraggeber, Projektleiter und weitere Projektbeteiligte klar ersichtlich.

Dadurch besteht eine hohe Transparenz bezüglich Aufgaben und Ergebnissen, die in der Verantwortung von Auftraggeber und Projektleiter stehen.

  1. Ergebnisse
    In jedem Projekt müssen bestimmte minimale Ergebnisse erarbeitet werden, damit ein Projekt gesteuert und geführt werden kann. Dazu gehören beispielsweise der Projektauftrag oder der Projektmanagementplan. Die Minimalergebnisse aus Sicht der Governance sind im Kapitel Ergebnisse definiert.
  2. Reporting
    Die Projektsteuerung erfordert verlässliche Informationen über Planung, Projektstand und Prognosen. Diese werden über das Reporting bereitgestellt. Das Reporting ist weiter unten beschrieben.
Berücksichtigung der Stakeholderinteressen
  1. Rollen
    Die Rollen der Projektsteuerung (Auftraggeber) und der Projektführung (Projektleiter) sind verantwortlich für die entsprechenden Aufgaben.
  2. Aufgaben
    Mit der Aufgabe Stakeholdermanagement und Kommunikation führen wird sichergestellt, dass die Stakeholder identifiziert und ihre Interessen analysiert werden.
  3. Ergebnisse
    Die Stakeholderliste und die Stakeholderinteressen werden erstmals in der Phase Initialisierung erstellt und im Projektablauf kontinuierlich weitergeführt.
Zusammenarbeit von Projektorganisation und Stammorganisation
  1. HERMES und Projektportfoliomanagement
    HERMES unterstützt die Integration der Projekte in das Projektportfoliomanagement. Siehe dazu die unten stehenden Erläuterungen.
  2. Phasen und Meilensteine
    Die Phasen und Meilensteine (mit Quality Gates) unterstützen die Zusammenarbeit.
  3. Rollen
    Das Rollenmodell schafft eine klare Beziehung zwischen der Projektorganisation und der Stammorganisation mit ihren Controlling- und Vorgabestellen.
  4. Aufgaben
    Mehrere Aufgaben unterstützen die Zusammenarbeit von Projektorganisation und Stammorganisation. Beispielsweise:
    1. die Entscheidungsaufgaben zu Projektfreigabe, Phasenfreigabe und Projektabschluss
    2. die Aufgabe Leistungen vereinbaren und steuern
    3. die Aufgabe Entscheid zur Systemarchitektur treffen
    4. die Aufgabe Entscheid zu ISDS-Konzept treffen
Abstimmung der Projektziele mit Strategie und Zielen der Stammorganisation
  1. Phasen und Meilensteine
    Vor der Projektfreigabe und der Phasenfreigabe werden die Projektziele im Rahmen der jeweiligen Entscheidungsaufgaben mit der Strategie und den Zielen der Stammorganisation abgestimmt. Die Projektfreigabe erfolgt nach der Phase Initialisierung durch die Stammorganisation und den Auftraggeber, wobei der Auftraggeber die Verantwortung trägt.
Transparenz in der Projektkommunikation
  1. Aufgaben
    Mit der Aufgabe Stakeholdermanagement und Kommunikation führen wird die Kommunikationsplanung erarbeitet. Die Kommunikation wird zielgruppenorientiert geführt.
  2. Reporting
    Das Reporting stellt die projektinterne Kommunikation zwischen Projektleitung und Auftraggeber sowie eine realistische und zeitnahe Gesamtbetrachtung und -bewertung gegenüber der Stammorganisation sicher.
Nachvollziehbarkeit der Projektdurchführung
  1. Ergebnisse
    Die im Projektverlauf anfallenden Ergebnisse dokumentieren den Projektverlauf.
    1. Mit dem periodischen Reporting, das den Projektstatusbericht und den Phasenbericht umfasst, wird der Projektablauf dokumentiert.
    2. Projektentscheide werden festgehalten und Sitzungen protokolliert.
    3. Projekterfahrungen werden laufend festgehalten.
    4. In der Projektschlussbeurteilung werden die Plan- und Ist-Vergleiche durchgeführt und wesentliche Erkenntnisse festgehalten.
    5. Der Projektmanagementplan wird laufend nachgeführt und dokumentiert den jeweiligen Planungsstand.
    6. Beschaffungen werden mit einem Evaluationsbericht dokumentiert.
Angemessener Umgang mit Risiken
  1. Rollen
    Auf Hierarchieebene Projektsteuerung unterstützt die Rolle des Qualitäts- und Risikomanagers den Auftraggeber mit einer unabhängigen Beurteilung des Projekts.
  2. Phasen und Meilensteine
    Werden am Ende einer Phase die Risiken als nicht tragbar beurteilt, wird die nächste Phase durch den Auftraggeber nicht freigegeben.
  3. Szenarien und Module
    Szenarien und Modulen unterstützen alle Projektbeteiligten und die Stammorganisation im gemeinsamen Verständnis, wie ein Projekt einer spezifischen Charakteristik abgewickelt wird. Dadurch können Missverständnisse vermieden und die Projektrisiken insgesamt gesenkt werden.
  4. Aufgaben
    Mit der Aufgabe Risiken managen wird das Risikomanagement kontinuierlich geführt.
  5. Ergebnisse
    Der Projektstatusbericht enthält die aktuelle Risikobeurteilung und informiert die Empfänger über die Beurteilung des Projektleiters.
Effizienter und nachhaltiger Ressourceneinsatz
  1. Szenarien und Module
    Szenarien und Module ermöglichen die effiziente Projektplanung.
  2. Phasen und Meilensteine
    Am Ende der Phasen Initialisierung, Konzept und Realisierung wird geprüft, ob es sinnvoll ist, das Projekt zu starten bzw. weiterzuführen. Mögliche Gründe für eine Beendigung sind Unwirtschaftlichkeit, zu hohe Risiken, fehlende Realisierbarkeit, fehlende Übereinstimmung mit den Zielen und Strategien der Organisation.

Die Phasen und Meilensteine ermöglichen zudem die Integration der Projekte in das Projektportfoliomanagement.

  1. Hinweise zur Anwendung
    Das Kapitel Nachhaltigkeit beschreibt, wie Projekte nachhaltig durchgeführt bzw. wie nachhaltige Ergebnisse erzielt werden und welche Kriterien zur Beurteilung der Nachhaltigkeit herangezogen werden.